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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 05.10.2000
Aktenzeichen: 13 UF 29/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1568
ZPO § 542 I
ZPO § 612 IV
1) Das Berufungsgericht kann in Ehesachen anstelle eines Versäumnisurteils auch durch ein kontradiktorisches Urteil entscheiden.

2) Weder ein religiöses Bekenntnis noch ein bevorstehendes Examen begründen für einen Ehepartner einen Härtefall i. S. d. § 1568 BGB.

SchlHOLG, 4. FamS, Urteil vom 05. Oktober 2000, - 13 UF 29/00 -


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

13 UF 29/00 90 F 216/98 AG Flensburg

Verkündet am: 05. Oktober 2000

als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Familiensache (Scheidung und Versorgungsausgleich)

der Studentin

Antragsgegnerin und Berufungsklägerin,

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dres. Tischler, Carstensen, Schulz und Punke in Schleswig -

gegen

den Verkehrspiloten

Antragsteller und Berufungsbeklagten,

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Uwe Petersen, Dr. Peters, Grimm, v. Hobe, Dr. Petersen und Schober in Schleswig -

hat der 4. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 12.01.2000 verkündete Urteil des Amtsgerichts Flensburg - Familiengericht - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand:

Der Antragsteller begehrt die Scheidung der geschlossenen Ehe der Parteien.

Er war als Soldat auf Zeit Strahlflugzeugführer bei der Bundeswehr. Jetzt ist er Verkehrspilot bei einer in England ansässigen Fluggesellschaft.

Die im Jahre 1967 geborene Antragsgegnerin studiert mit dem Ziel, Diplompädagogin zu werden. Das Examen wird in der Zeit vom 02. bis 30. Oktober 2000 abgenommen.

Die Parteien trennten sich am 21.02.1998, indem der Antragsteller aus der Ehewohnung auszog.

Die Antragsgegnerin hat der Scheidung nicht zugestimmt.

Das Familiengericht hat die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Gegen dieses wendet sich die Antragsgegnerin mit der Berufung. Sie macht geltend:

Sie lehne eine Scheidung aus tiefer Überzeugung prinzipiell ab. Eine Scheidung nach § 1566 Abs. 1 BGB könne nicht erfolgen; denn das Familiengericht habe die Sollvorschrift des § 630 Abs. 3 ZPO nicht eingehalten. Darüberhinaus komme eine Scheidung für sie jetzt zur Unzeit und würde für sie eine besondere Härte, ja eine Katastrophe, bedeuten. Sie müsse nämlich erst ihr Studium der Diplompädagogik abschließen, weil sie bei der Heirat erst 22 Jahre alt gewesen sei und bis dahin keine Berufsausbildung gehabt habe.

Hilfsweise sei der vom Familiengericht vorgenommene Versorgungsausgleich zu ändern. Es sei nämlich nicht nachvollziehbar, dass sich die vom Antragsteller in Großbritannien während seines dortigen Bundeswehraufenthaltes erworbenen Rentenanwartschaften auf den Versorgungsausgleich nicht auswirken sollen.

Die Antragsgegnerin hat die Anträge angekündigt,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Scheidungsantrag abzuweisen,

hilfsweise,

die Versorgungsausgleichsentscheidung zu ihren, der Antragsgegnerin, Gunsten zu ändern.

In der mündlichen Verhandlung hat sie keine Anträge gestellt. Der Senat hatte ihr lediglich für den Hilfsantrag in eingeschränktem Umfang Prozesskostenhilfe bewilligt und im übrigen die von ihr nachgesuchte Prozesskostenhilfe versagt.

Der Antragsteller beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise,

darüber durch Versäumnisurteil zu entscheiden.

Wegen des Vorbringens der Parteien im übrigen und einzelnen wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen und die Gerichtsprotokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg. Die vom Familiengericht ausgesprochene Scheidung ist von Bestand. Auch ist eine Änderung der vom Familiengericht getroffenen Regelung zum Versorgungsausgleich nicht angezeigt.

Obwohl die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war und keinen Antrag gestellt hat, hat der Senat nicht durch Versäumnisurteil die Berufung zurückgewiesen, sondern ein kontradiktorisches Endurteil erlassen. Mit dieser Verfahrensweise folgt der Senat der Rechtsprechung des 3. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (Urteil vom 06.07.1994 12 UF 33/94 und vom 22.09.1999 12 UF 206/98).

Der Antragsteller hat als Berufungsbeklagter in erster Linie eine Sachentscheidung durch Endurteil beantragt. Dieses prozessuale Vorgehen ist in Ehesachen auch im Berufungsverfahren als zulässig zu werten. Dem steht § 542 Abs. 1 ZPO nicht entgegen, was allerdings von einem Teil der Rechtsprechung und Literatur vertreten wird (vgl. OLG Hamm, 6. Familiensenat in FamRZ 1962/295 Nr. 164 m. w. N.). Nach der genannten Vorschrift ist die Berufung des Berufungsklägers auf Antrag durch Versäumnisurteil zurückzuweisen, wenn er im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erscheint. Diese allgemein für das Berufungsverfahren geltende Prozessvorschrift verbietet es jedoch nicht, dass in Ehesachen statt einer Säumnisentscheidung gegen den Antragsgegner ein kontradiktorisches Urteil ergeht. So bestimmt § 612 Abs. 4 ZPO für das Verfahren erster Instanz in Ehesachen ausdrücklich, dass ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten unzulässig ist.

Soweit die Vertreter der Gegenauffassung zusätzlich darauf verweisen, dass für eine Sachentscheidung im Berufungsverfahren keine Notwendigkeit bestehe, wenn der Antragsgegner und Berufungsführer keinen Antrag stelle, vermag auch das nicht zu überzeugen. Würde man in Fällen vorliegender Art nämlich nur die Zurückweisung der Berufung durch Versäumnisurteil zulassen, wäre dem scheidungsunwilligen Antragsgegner die Möglichkeit eröffnet, das Verfahren in der Berufungsinstanz unangemessen verzögern. Damit wäre dem der Scheidung widersprechenden Antragsgegner in zweiter Instanz eine Möglichkeit eröffnet, die ihm in erster Instanz nach § 612 Abs. 4 ZPO versagt ist.

Schließlich ist der Hinweis darauf, dass im Falle der Zurückweisung durch Versäumnisurteil geringere Kosten entstehen, nicht durchgreifend. Wenn nämlich die Höhe der Prozesskosten für den Antragsgegner von Bedeutung ist, könnte er die Berufung vor Beginn der mündlichen Verhandlung zurücknehmen, um Kosten zu sparen.

In der Sache kann der Antragsteller gem. § 1565 Abs. 1 BGB Scheidung der Ehe der Parteien verlangen. Danach kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wieder herstellen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Lebensgemeinschaft der Parteien besteht seit dem 21.02.1998 nicht mehr. Seitdem leben die Parteien gem. § 1567 Abs. 1 S. 1 BGB getrennt. Nach der genannten Vorschrift leben Ehegatten getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Indem der Antragsteller an dem genannten Tage aus der Ehewohnung auszog, hob er die häusliche Gemeinschaft auf. Er wollte und will sie auch nicht wieder herstellen, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft mit der Antragsgegnerin ablehnt. Das hat der Antragsteller in der persönlichen Anhörung vor dem Familiengericht am 12.01.2000 erklärt. Danach hält er die Ehe für hoffnungslos zerrüttet. Ergänzend hat er in seiner Berufungserwiderung ausgeführt, dass er "um jeden Preis geschieden werden" wolle und "nicht die geringste Chance oder Möglichkeit für eine Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft mit der Antragsgegnerin" sehe.

Die von der Antragsgegnerin in der Berufungsbegründung angeführte Vorverfahrensvorschrift des § 630 ZPO hindert die Scheidung nicht. Danach soll einem Scheidungsantrag erst stattgegeben werden, wenn die Ehegatten über die Regelung der Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind, die durch die Ehe begründete gesetzliche Unterhaltspflicht sowie die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und am Hausrat einen vollstreckbaren Schuldtitel herbeigeführt haben. Das gilt jedoch nur für Verfahren auf Scheidung i. V. m. § 1566 Abs. 1 BGB. Diese Vorschrift betrifft Scheidungsverfahren mit Zustimmung des Antragsgegners. Ein solches Verfahren liegt hier indes nicht vor; denn die Antragsgegnerin stimmt der Scheidung nicht zu.

Die Scheidung der Ehe ist auch nicht durch die Härteklausel des § 1568 BGB gehindert. Nach der vorliegend allein in Betracht kommenden zweiten Variante dieser Norm soll die Ehe nicht geschieden werden, obwohl sie gescheitert ist, wenn und solange die Scheidung für den Antragsgegner, der sie ablehnt, aufgrund außergewöhnlicher Umstände eine so schwere Härte darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe auch unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers ausnahmsweise geboten erscheint. Nach dem Sinn dieser Regelung soll eine Scheidung zur Unzeit vermieden werden. Dem die Ehescheidung ablehnenden Ehegatten soll Zeit gegeben werden, sich auf die Auflösung der Ehe einzustellen. Das ist der gesetzgeberische Zweck dieser Klausel (Palandt/Diederichsen, BGB, Kommentar, 59. Aufl., § 1568 Rn. 1 und 3).

Aus dem Vorbringen der Antragsgegnerin ergeben sich keine außergewöhnlichen Umstände, die für sie in dem genannten Sinne eine schwere Härte darstellen würden.

Das gilt zunächst insoweit, als die Antragsgegnerin die Scheidung prinzipiell und aus religiöser Überzeugung ablehnt. Das religiöse Bekenntnis begründet jedoch keinen Härtefall (Palandt a. a. O. Rn. 6). Das folgt schon daraus, dass die Härteklausel nur einen zeitlich begrenzten Ehebestandsschutz bietet, während das religiöse Bekenntnis die Scheidung schlechthin ablehnt.

Soweit die Antragsgegnerin des weiteren darauf verweist, dass sie von Beginn der Ehe an nur für den Antragsteller da gewesen sei, auf die Verwirklichung ihrer privaten Interessen verzichtet habe, mit dem Antragsgegner im Rahmen seiner wiederholten Versetzungen umgezogen und ihm auch ins Ausland gefolgt sei, sich also in der Ehe "aufgeopfert" habe, stellen auch diese Umstände keine außergewöhnlichen im Sinne der Härteklausel dar. Vielmehr waren diese Umstände durch den beruflichen Einsatz des Antragstellers als Soldat mit seiner speziellen Ausbildung und Verwendung als Strahlflugzeugführer bedingt. So hat es sein Beruf mit sich gebracht, dass er auch längere Zeit zu Schulungen und zur Verwendung im Ausland eingesetzt wurde. Dass die Antragsgegnerin den Antragsteller dabei regelmäßig begleiten konnte und begleitet hat, dürfte für sie im übrigen nicht nur unangenehm und belastend gewesen sein. Hinzukommt, dass die Antragsgegnerin auch während des Zusammenlebens der Parteien phasenweise ihrem Studium der Pädagogik nachgegangen ist. So hat sie eine zeitlang während der Woche in Köln gelebt und studiert und ist nur am Wochenende zum Antragsteller nach gefahren, wo er stationiert war.

Schließlich begründet das noch nicht abgeschlossenen Studium der Pädagogik und das im Oktober 2000 anstehende mündliche Examen der Antragsgegnerin ebenfalls keinen Härtefall. Dabei wird nicht übersehen, dass ein laufendes Scheidungsverfahren eine hohe nervliche und psychische Belastung für eine Partei und deshalb eine Hürde dafür darstellen kann, ein bevorstehendes Examen zu bestehen. Vorliegend erscheint die Aufrechterhaltung der Ehe trotz des noch nicht abgeschlossenen Examens dennoch nicht ausnahmsweise geboten. Bei der vorzunehmenden Abwägung sind nämlich auch die Belange des Antragstellers zu berücksichtigen. Sein Scheidungsantrag wurde der Antragsgegnerin bereits am 28.10.1998 zugestellt. Das war zu einer Zeit, als die Prüfung der Antragsgegnerin noch nicht begonnen hatte. Allerdings meldete sich die Antragsgegnerin dann am 15.02.1999 das erste Mal zur Prüfung, trat von dieser jedoch wiederholt zurück. Andererseits zog sich auch das Scheidungsverfahren hin, obwohl außer dem Versorgungsausgleich keine Folgesachen zu regeln waren. Nachdem sich die Antragsgegnerin dann erneut zur Prüfung gemeldet hatte, bestand sie im März 2000 den ersten mündlichen Teil der Prüfung nicht. Es ist somit nicht zu erkennen, dass die bloß formale Aufrechterhaltung des Ehebandes für die Antragsgegnerin eine Hilfe dafür sein kann, das Examen erfolgreich abzuschließen. Vielmehr scheint das noch immer laufende Scheidungsverfahren für die Antragsgegnerin eine erhebliche Belastung zu sein, weil sie unter anderem immer wieder neue Schriftsätze des Antragstellers mit nicht gerade rücksichtsvollen Formulierungen zur Kenntnis nehmen muss.

Schließlich kann auch der Umstand, dass die Antragsgegnerin bis zum Abschluss ihres Examens und damit ihrer Berufsausbildung auf die Zahlung von Ausbildungsunterhalt durch den Antragsteller angewiesen ist, die Scheidung nicht hindern; denn ein Anspruch der Antragsgegnerin auf Ausbildungsunterhalt erlischt nicht mit der Rechtskraft der Scheidung. Vielmehr kann auch der geschiedene Ehegatte gem. § 1574 Abs. 3 i. V. m. § 1573 Abs. 1 BGB Ausbildungsunterhalt verlangen.

Der von der Antragsgegnerin hilfsweise gestellte Antrag auf Änderung des Versorgungsausgleichs ist ebenfalls unbegründet. Die vom Familiengericht durchgeführte Regelung des Versorgungsausgleichs ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das folgt aus der ergänzenden Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 04.08.2000. Die in der Auskunft noch einmal bestätigten Kontrollberechnungen haben ergeben, dass der durchgeführten Regelung des öffentlich rechtlichen Versorgungsausgleichs zutreffende Rentenanwartschaften auch von Seiten des Antragstellers zugrundegelegt worden sind. Richtig ist nach der Auskunft auch, dass er in der Zeit vom 06.04.1998 bis zum 05.04.1999 52 Wochen in Großbritannien lebte und dort für ihn Rentenversicherungsbeiträge entrichtet worden sind. Das aber kann nur zur Folge habe, dass dem Antragsteller neben seinem Anspruch auf eine Teilrente gegen die BfA ein weiterer Anspruch auf eine Teilrente gegen den britischen Rentenversicherungsträger zusteht. Für eine Übertragung oder Begründung von Versorgungsanwartschaften zu Lasten des britischen Rentenanspruches ist eine Rechtsgrundlage nicht vorhanden. Damit aber sind der Antragsgegnerin evtl. gegebene Ansprüche auf einen zusätzlichen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nicht abgeschnitten.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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